Weihnachten: Harmonie oder Ausnahmezustand?

Die Vorweihnachtszeit verspricht Besinnlichkeit, Lichterglanz und Harmonie – doch für viele Menschen sind die Weihnachtsfeiertage die stressigste Phase des Jahres. Wie gelingt es, den Erwartungen zu entkommen und Weihnachten als Fest der Freude zu erleben? Prof. Dr. Thomas H. Loew, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Caritas-Krankenhaus St. Maria, erklärt, warum Weihnachten uns stresst und gibt praktische Tipps, um die Feiertage entspannter zu gestalten.

Herr Professor Loew, warum empfinden viele Weihnachten als belastend?
Prof. Dr. Loew: Weihnachten ist oft mit hohen Erwartungen und festen Traditionen verbunden. Das Bild eines perfekten Festes mit Harmonie und idealen Geschenken erzeugt enormen Druck. Medien und Werbung verstärken diese Vorstellungen, wodurch Realität und Ideal oft weit auseinanderklaffen. Das führt zu Stress – und manchmal zu Enttäuschungen.
Auch für einsame Menschen wird Weihnachten zur besonderen Herausforderung. Es ist daher eine schöne Geste, solche Menschen einzuladen und ihnen Gemeinschaft zu schenken.

Stress scheint in unserer Gesellschaft allgegenwärtig zu sein. Was macht ihn so gefährlich?
Der Begriff „Stress“ stammt aus dem Lateinischen „strictus“, was so viel wie „angespannt“ bedeutet. Problematisch wird dieses „angespannt sein“, wenn die Belastungen überhandnehmen. Diese ständige Alarmbereitschaft kann den Körper massiv belasten. Daher wundert es nicht, dass Stress bei vielen Erkrankungen eine Rolle spielt, insbesondere bei Herzinfarkten, Hörstürzen oder Depressionen. Die WHO spricht sogar von einer „Epidemie des 21. Jahrhunderts“.

Warum scheinen manche Menschen widerstandsfähiger gegen Stress zu sein als andere?
Stress wird individuell unterschiedlich wahrgenommen. Entscheidend ist, wie eine Situation bewertet wird. Um stressresistenter zu werden, sollten wir Stressoren vermeiden und Stress aktiv abbauen – etwa durch Entspannungstechniken, Bewegung oder bewusst gesetzte Pausen.

Welche Beschwerden treten rund um Weihnachten besonders häufig auf?
Psychosomatische Symptome wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Verspannungen sind typisch. Körperliche Beschwerden, verursacht durch Alkohol, üppige Mahlzeiten und wenig Bewegung, kommen hinzu – vor allem Magenprobleme machen vielen zu schaffen.

Wie können wir den Feiertagsstress bewältigen?
Planung ist essenziell. Fokussieren Sie sich auf das, was Ihnen persönlich wichtig ist. Es muss nicht alles exakt an Heiligabend stattfinden – warum nicht bestimmte Dinge auf die Weihnachtsfeiertage verschieben? Auch sollten wir hinterfragen, ob traditionelle Rituale noch zu uns passen.
Die Public Health Commission empfiehlt zudem, sich realistische Ziele zu setzen, positive Gedanken zu fördern und bei Bedarf Unterstützung zu holen. Regelmäßige Pausen, Bewegung und gesunde Ernährung helfen ebenfalls. Übrigens tragen auch traditionelle Weihnachtsrituale zur Entspannung bei…

Inwiefern?
Nehmen wir als Beispiel das gemeinsame Singen am Heiligabend: Singen entschleunigt die Atmung und trägt so zur Selbstregulation bei. Oder der Weihnachtsbaum: Tannennadeln enthalten ätherische Öle, die eine beruhigende Wirkung haben. Das gemeinsame Beisammensein im Kreis der Familie, die Nähe zu lieben Menschen, setzt das Hormon Oxytocin frei, das Stress reduziert.

Was tun, wenn Konflikte in der Familie das Fest belasten?
Konflikte entstehen oft aus unrealistischen Erwartungen. Wer das Unperfekte akzeptiert und Wünsche offen kommuniziert, kann Spannungen vermeiden. Eine gemeinsame Planung im Vorfeld ist wichtig.
Grundsätzliche Streitigkeiten sollten jedoch nicht unterm Weihnachtsbaum geklärt werden – das sorgt meist nur für zusätzlichen Frust. Besser ist es, sich auf den Weihnachtsfrieden zu besinnen und Konflikte zu einem späteren Zeitpunkt zu klären.

Welche Tipps können Sie geben, um Weihnachten stressfrei zu erleben?
Hier einige Grundsätze:

  • Setzen Sie Prioritäten und planen Sie realistisch.
  • Verteilen Sie Aktivitäten auf mehrere Tage.
  • Überdenken Sie Rituale – tun Sie nur, was Ihnen wirklich Freude bereitet.
  • Gönnen Sie sich Auszeiten, etwa mit einem Buch oder in der Badewanne.
  • Bleiben Sie in Bewegung. Bewegung klärt den Kopf und schafft Raum für neue Perspektiven.

 

Wie verbringen Sie selbst Weihnachten?
Ganz entspannt mit der Familie. Wir schmücken gemeinsam den Baum, gehen essen und besuchen die Christmette im Dom.

Vielen Dank, Herr Professor Loew, für das Gespräch und die  Tipps!

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