Anton Ecker ist 40 Jahre alt, als ihm das Treppensteigen zuhause zunehmend schwerer fällt. Stufe für Stufe bekommt er schlechter Luft. Hinzu kommen heftige Hustenanfälle, die ihm den Schweiß ins Gesicht treiben und oft über eine Viertelstunde gehen. „Manchmal hätte man meinen können, er erstickt“, erinnert sich Anton Eckers Frau Elfriede Ecker. Eine Lungenfachärztin stellt schließlich die Diagnose exogen-allergische Alveolitis (EAA).
Exogen-allergische Alveolitis (EAA)
„Bei der exogen-allergischen Alveolitis reagiert das Immunsystem auf eigentlich ungefährliche Substanzen wie organischen Staub, etwa aus Vogelfedern, Heu oder Stroh, der mit Kot-, Pilz- oder Schimmelpartikeln belastet ist, oder auch auf chemische Substanzen und es treten Entzündungen der Lunge auf“, erklärt Prof. Dr. Maximilian Malfertheiner, Direktor der Klinik für Pneumologie am Caritas-Krankenhaus St. Maria. Die Symptome einer chronischen EAA können erst nach Monaten oder Jahren auftreten. In manchen Fällen begünstigt die Erkrankung zudem eine Lungenfibrose, bei der Lungengewebe vernarbt und so unwiederbringlich die Funktionsfähigkeit des Organs beeinträchtig.
Ähnlich verläuft die Krankheit auch bei Anton Ecker. Durch seinen Beruf in der Saatgutindustrie ist er regelmäßig potenziellen Allergenen ausgesetzt. Auf ein Beitzmittel für Mais, dessen Einsatz in Deutschland mittlerweile verboten ist, reagiert sein Körper. Auf die Diagnose EAA folgen Medikamente, Reha-Aufenthalte und regelmäßige Behandlungen an der Fachklinik in Donaustauf.
Sportliche Aktivitäten wie Wandern oder Radfahren sind den Patienten nicht mehr möglich. Die gesundheitlichen Einschränkungen lassen auch den Alltag seiner fünfköpfigen Familie nicht unberührt. „Wir mussten immer schauen, dass wir keine Krankheiten mit nach Hause bringen, denn bei Anton nahmen alle Beschwerden einen viel dramatischeren Verlauf. Wir mussten ihn beschützen“, erzählt Elfriede Ecker.
Organtransplantation – ja oder nein?
Mit der Zeit – Anton Ecker ist mittlerweile auf eine künstliche Sauerstoffversorgung angewiesen – rückt bei den regelmäßigen Untersuchungen an der Fachklinik in Donaustauf mehr und mehr ein Thema in den Raum, das dem Familienvater wieder zu mehr Gesundheit und Lebensqualität verhelfen könnte: eine Lungentransplantation. „Zu denken, das wird schon wieder, hilft hier nichts. Man muss der Realität ins Auge schauen“, ist Anton Ecker heute überzeugt.
Die Chancen für ein Spenderorgan aufgrund einer EAA stünden laut Prof. Dr. Malfertheiner prinzipiell gut, da es sich um eine nicht selbstverschuldete Krankheit handle. Bei einer durch Tabakkonsum verursachten COPD hingegen werde eine Organspende kaum in Erwägung gezogen. „Die Entscheidung, ob im individuellen Patientenfall tatsächlich eine Organtransplantation in Frage kommt, fällt im Zuge der sogenannten Listung“, ergänzt Prof. Dr. Malfertheiner. Dabei handelt es sich um eine medizinische Bestandsaufnahme des gesamten Organismus. Nur wenn alle Parameter passen steht eine Transplantation weiterhin zur Option. Ab 2020 unterzog sich auch Anton Ecker den zahlreichen Checks und Untersuchungen und konnte alle Voraussetzungen erfüllen.
„Wenn der Anruf des Transplantationszentrums kommt, dass ein passendes Spenderorgan zur Verfügung steht, müssen die Patientinnen und Patienten innerhalb von wenigen Stunden im Transplantationszentrum sein“, berichtet Prof. Dr. Malfertheiner. „Das ist ein sehr einschneidendes Erlebnis.“ So empfand es auch Ecker, als zum ersten Mal eine Spenderlunge für ihn gemeldet wurde. Heute weiß er aber auch: „Wenn der Anruf kommt, heißt das noch lange nicht, dass man in den nächsten zehn Stunden operiert wird.“ Denn erst vor Ort im Transplantationszentrum wird festgestellt, ob das Organ tatsächlich passt. Nur wenn Blutgruppen und Gewebemerkmale übereinstimmen kann eine Transplantation erfolgen.
Im Oktober 2024 erreicht die Familie Ecker spät nachts zum dritten Mal der Anruf, dass eine Spenderlunge zur Verfügung stehe. Gegen 1.30 Uhr wird Anton Ecker im Krankenwagen ins Transplantationszentrum nach München gebracht. Die diversen Checks, die danach erfolgen, kennt der Patient bereits. Danach heißt es wieder warten, bis um 7.45 Uhr die Info kommt: Es geht los.
Zweite Chance dank Organspende
„Die Lebenserwartung nach einer Lungentransplantation ist in den letzten Jahren immer besser geworden“, erläutert Prof. Dr. Malfertheiner und ergänzt: „in der Regel sind es nach vielen Jahren nicht die Spenderorgane, die Probleme machen, sondern eher Begleiterkrankungen, die etwa durch die immunhemmenden Medikamente begünstigt werden können.“ Aus dem Klinikalltag kenne er allerdings eine Reihe an Patienten, die seit 20 Jahren und länger zur Nachsorge ans Caritas-Krankenhaus St. Maria kommen und gut mit einer Spenderlunge leben.
Anton Eckers Lungentransplantation verläuft gut. Bereits am zweiten Tag nach der OP ist er wieder in der Lage, frei zu atmen. Dieser Übergang verläuft Prof. Dr. Malfertheiner zufolge sehr individuell. „Bei manchen Patienten dauert es mehrere Wochen, bei anderen, wie Herrn Ecker, nur wenige Tage.“, sagt er. „Die Ärzte haben mir den Beatmungsschlauch rausgenommen und ich konnte auf einmal wieder selbstständig atmen und es wurde ein Sauerstoffgehalt von 95 Prozent gemessen, nachdem ich vorher bei 83 Prozent oder noch weiter unten war“, berichtet der Patient. „So ein Erlebnis vergisst man sein Leben lang nicht mehr“, ist er überzeugt.
Neues Leben
Seit seinem „zweiten Geburtstag“ verfügt Anton Ecker über eine Lebensqualität und Fitness, wie er sie lange nicht mehr gehabt hat. Er weiß aber auch: „Durch die OP wird das Ganze nicht Geschichte, sie ist nur ein Baustein von einem langen Prozess.“ Bei regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen werden die Immunspressiva angepasst und nach Möglichkeit reduziert sowie etwaige Abstoßreaktionen des Körpers kontrolliert. „Eine Abstoßung kann auch nach vielen Jahren noch auftreten“, bemerkt Prof. Dr. Malfertheiner und erklärt: „Daher empfiehlt es sich, die Lungenfunktion stets an der gleichen Klinik testen zu lassen, denn die Langzeitbeobachtung macht Veränderungen am deutlichsten sichtbar.“
Neben seinen Kontrollterminen am Transplantationszentrum kommt Anton Ecker daher weiterhin ans Caritas-Krankenhaus St. Maria. Die Untersuchungstermine nimmt er gerne wahr, denn das sei das Mindeste, was er tun könne, nachdem sich so viele Menschen, vom medizinischen Personal bis hin zu seinem Spender und dessen Familie, für ihn eingesetzt hätten. Zwar ergeben sich durch die Immunhemmer auch weiterhin Einschränkungen für sein alltägliches Leben, aber trotzdem sei alles viel besser als früher. „Das Leben ist trotzdem lebenswert“, findet Anton Ecker.